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Zukunft ist Herkunft

Gestalten nicht verwalten




Überall, damit Neues entsteht, muss der Notwendigkeit ein Bedürfnis folgen und dieses dann mit Gefühlen und Vorstellungen in Einklang gebracht werden.

Im Gegensatz zu Gefühlen und Vorstellungen, sind Notwendigkeit und Bedürfnis schnell begründet: In den vergangenen 10 Jahren war es mir möglich die Rebfläche von 8 auf 11,5 Hektaren zu erhöhen. War Schloss Salenegg vor 10 Jahren noch für den traditionellen Blauburgunder bekannt, erfreuen sich heute auch der Pinot Noir Barrique, der Chardonnay Barrique und die Cuvée Blanche grosser Beliebtheit. Und eigens für die Eröffnung des Neubaus haben wir «les étincelles de Salenegg» geschaffen. Beides Ausbau der Anbaufläche sowie Diversifikation im Wein-Angebot machten den Neubau zu einer Notwendigkeit und einem Bedürfnis.
Schwieriger wurde es, als ich mich daran machte Worte dafür zu finden, was der Neubau zum Ausdruck bringen soll, damit er zu mir und zu Schloss Salenegg passt.

Wie bringe ich das, was dieses neue Gebäude für mich bedeutet, in eine Wort-Form? Wie erkläre ich das, was es über seine reine Funktionalität hinaus an meiner Stelle sagen soll?

In vielen Gesprächen wurde aus dem Gefühl und der Vorstellung die Idee, fanden sich Worte und aus diesen konnte Form werden. An dieser Form haben viele – bewusst und unbewusst – mitgewirkt. Jeder einzelne mit seinem: «Ja, aber!», «Nein, sicher nicht!» half, die Konturen des «muss sein» herauszuschälen und über «ginge das?» gelangten wir zum «ja, das geht!».

Über die vielen «ja, aber» Stufen erkletterten wir schliesslich die «Aussichtsplattform» und sahen zum ersten Mal, wie das eher diffuse Vorgefühl, der eigentliche Wunsch, Wirklichkeit werden könnte. Inzwischen war ein Jahr vergangen und mit grosser Freude machte ich mich daran, das Spezialisten-Team zusammenzustellen und ihnen meine Idee vorzustellen.
Der Weg, den wir miteinander bewältigten, dauerte vier Jahre und führte uns vom Pass der Gebäudeform und -ausprägung, ins Tal der Denkmalpflege, auf den Gipfel der Gesetzgebung und wieder tief hinunter durch die Schlucht der Wirtschaftlichkeit.

Am 17. Juli 2010 erreichten wir dann den eigentlichen Schauplatz und begannen mit der Umsetzung.


Zukunft ist Herkunft



Dieses Motto von Schloss Salenegg entspringt nicht nur der über 350 jährigen gemeinsamen Geschichte von Familie und Haus. Es spiegelt auch meine eigene tiefe Überzeugung. Das neue Gebäude ist Ausdruck von Zukunft ist Herkunft, was soviel bedeutet wie: «Gestalten nicht verwalten!».

Das Gebäude verleugnet seine Jugend nicht, dennoch übt es sich in Bescheidenheit. Es läuft seinen Vorfahren nicht den Rang ab. Es steht selbstbewusst und eigenständig daneben und gehört so dazu.

Wenn sich im Herbst die Blätter im Rebberg verfärben und nach dem ersten Frost vom letzten Föhnsturm weggefegt werden, dann ist Hochsaison im Neubau. Der Besucher erkennt dieses saisonale Zusammenspiel von Gebäude und Umgebung an der Gestaltung der Aussenhülle. Der Rebberg in seiner Ruhephase draussen, derweil wird drinnen die Ernte verarbeitet.



Im Juli 2010 ist der erste Bagger aufgefahren, um die Sondierungsschlitze zur Beurteilung des Baugrundes zu graben. Zum ersten Mal habe ich sechs Meter tief den Querschnitt des Bodens gesehen, der mich und Salenegg ernährt – das Verwitterungsgestein, die Lehmschichten, die Sandschichten, die Steinnester, dieses sanfte Farbspiel der Erdtöne. Oder: der Grund in der meine Reben wurzeln, und aus der sie ihre Kraft schöpfen, ihr Terroir, für mich zum ersten Mal sichtbar. Es waren Bilder, die mich nicht mehr loslassen wollten. Der neue Keller liegt bergwärts elf Meter unter dem gewachsenen Terrain. Die Frage; wie kann ich diesen Anblick für alle sichtbar machen, begann mich umzutreiben.



Meine Antwort finden Sie heute im neuen Keller. Nach meinem Modell haben wir die Stampfbeton-Wand aus einheimischem Material gegossen.

In einer Zeit, in der es noch kaum Fliessbandware gab, in der Zeit als das Material noch kostbarer war als die Arbeitsstunde, aus dieser Zeit stammt die Form unserer Keramik- Bodenbeläge. Ich schätze das Symbolische alter Formen sehr. Zu den praktischen Überlegungen zählten die Rutschfestigkeit, Beständigkeit und Belastbarkeit. Diese sind einzig im Kleinformat erhältlich, doch wenn ich meine Böden betrachte, denke ich nicht an Belastbarkeit und Beständigkeit, diese sind auf Schloss Salenegg selbstverständlich. Ich denke an die Baukunst der Bienen und freue mich, dass unser «Nektar» passend lagert.

Dem Bau mussten drei alte Bäume weichen. Sie finden auch diese wieder. Von einhei- mischen Holzbauern verwandelt in Tische und eine Schrankwand haben sie am Ort ihrer Herkunft auch ihre Zukunft. Und vielleicht lagerte der Wein in Ihrem Glas just in dem Barrique, das Sie im Degustations-Raum in Form eines Stuhles wiederfinden!



Denn: Zukunft ist Herkunft.

HvG 5.2011

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