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Ritter Anton von Molina

von mysteriösen Berichten umrankt




Um 1637 brachte Violanda von Salis, Tochter des Vespasians v. Salis Salenegg durch ihre Heirat mit Ritter Anton von Molina Salenegg in dessen Besitz. Auf seine Weise gehört es ihm noch immer, denn Ritter Molinas Tod um die Mitte des 17. Jahrhunderts ist von mysteriösen Berichten umrankt.


Die Sage «Ritter Molina» aus dem Bündner Sagenbuch



Im Schloss Salenegg hängt ein merkwürdiges altes Gemälde, das Bildnis eines frühern Gutsherren, des Ritters Anton von Molina, des Sohnes des Podestat von Santa Maria in Calanca, der ihn auf die Hohe Schule zu Paris geschickt hatte, von wo er als sprachenkundiger Dolmetsch zurückkehrte. 1630 war er Landvogt von Maienfeld, führte später Feldzüge in franz./spanischen Diensten, verheiratet in Salenegg mit der Tochter des Ritters Vespasian von Salis.

Bei seinem Tode müssen seltsame Dinge passiert sein. Es kommt da ein Johannes Moser, der Geigerhans, von Ilanz bis Davos als bekannter Geigerspieler vor, der Zeuge des Todes gewesen sei. Dessen Urenkel, der "Eichhölzler» Moser (zwischen Maienfeld und Jenins gelegenes Gut Eichengut), 1828 in Maienfeld begraben, habe die Begebenheit erfahren. Der Hinter-Ehni, also der Geigenhans, hätte dem Molina einen fälligen Kapitalzins überbringen müssen. Im Schloss führte ihn der alte Caleb, Molinas Kellermeister, in seines Herren Wohnstube. Dort sass der Oberst in seinem Sessel am Fenster, allein! Wie immer, seitdem ihn die Gicht plagte und er den Degen nicht mehr führen konnte. Neben ihm hockte sein grosser, hässlicher Affe namens "Tristram", der alle sein Leute plagte. Geigerhans hätte ihm das Geld mit den Worten übergeben "Ihr werdet alles in Ordnung finden, Herr Ritter». Der Ritter befahl Caleb, dem Überbringer bei ihm ein Glas Wein zu geben. Kaum aber hatten die beiden den Raum verlassen, vernahmen sie einen gellenden Schrei, die Stimme des Ritters. Sie sprangen zurück, der Oberst schrie "Hölle - Hölle, und ihre Flammen". Es entstand ein grosses Durcheinander. Dem Geigerhans schwindelte der Kopf, er vergass Geld und Quittung und flüchtete aus dem Haus. Caleb, in seiner Kammer neben dem Saale, in dem der Oberst lag, bat den alten Marugg, mit ihm die letzte Nachtwache anzunehmen. Das silberne Pfeifchen des Obersten tönte immer noch, das Zeichen, mit dem der Verstorbene jeweils das Bettumwenden wegen der Gicht angab. Um Mitternacht schrillte das Pfeifchen, scharf und gellend. Die beiden Nachtwächter machten sich auf, am ganzen Leibe zitternd. Kerzen brannten im Saal, der Tote sass aufrecht im Sarg, neben ihm kauerte der Affe. Marugg fiel ohnmächtig um, erfasste trotzdem alles, was da geschah. Sie hörten vor dem Haus ein Kutschengeräusch, das Tor öffnete sich, schwere, langsame Schritte kamen herauf, den Gang aufwärts, ein dumpfes Pochen ertönte. Dann sah er, dass der Ritter sich mühsam aus dem Sarge erhob, ein tiefer, grauenhafter Seufzer war vernehmbar, er wankte zur Türe, die Augen fest geschlossen, an ihm vorbei und verschwand draussen. Wie lange Marugg lag, wusste er nicht. Erst nach Morgengrauen vermochte er aufzustehen, blickte in den Sarg, der war leer! Dafür lag zwei Schritte daneben der alte Caleb starr und entseelt. Man versuchte, die Sache zu verheimlichen. Aber als der Leichenzug mit dem Obersten aus dem Schlosstor trat, öffnete sich oben ein Fenster und heraus blickte der Ritter Molina im Schlafrock, den er immer getragen hatte, schrecklich das spitze Totengesicht und die heisere Stimme, mit der er die Träger unten ansprach, ob sie schwer zu tragen hätten! Das Vertuschen war vorbei, über 100 Leute hatten das mitangesehen. Nach diesen Ereignissen trat Junker Hector, Sohn des Molina (gemäss Sage, aber Molina hatte keinen Sohn, nur einen Tochtermann), die Erbschaft an. Das Geld von Johannes Moser kam zur Sprache, Caleb habe es ja gesehen. Hector und Moser kamen in Streit, der Junker rief nach Ammann und Weibel. In der Clus kehrte Moser im Wirtshäuslein der Stini Fausch ein, trank Branntwein, wünschte, dass Molina keine Ruhe finde bis dem Geigerhans sein Recht geworden sei, tat einen Trinkspruch auf die Gesundheit des bösen Geistes und ritt fort, heimwärts auf das Zinsgut zu, das er von Molina hatte.
Inzwischen wurde es stockdunkel und es erschien ein fremd aussehender Mann zu Pferd, der Molina bestens gekannt haben wollte. "Er sei jetzt Herr und Molina sei sein Diener, er wolle jetzt die Quittung geben, er solle mitreiten". Geigerhans rief, dass er wegen dieses Fetzens Papier bis ans Höllentor und noch weiter gehe! Dabei meckerte der Reitersmann wieder merkwürdig und weiter ging's in schärferer Gangart durch die finstere Nacht. Vor dem Portal eines grossen Hauses, das Moser merkwürdig bekannt vorkam, er glaubte, es sei Salenegg, ritten sie in den Hof. Trompeten und Geigen erschallten, getanzt und gefestet wurde wie damals zu Molinas Zeiten. Sie stiegen ab, Moser knotete sein Pferd am Ring fest, an dem er schon früher seinen Gaul angebunden hatte. Er sah sich nach seinem Begleiter um, doch der und sein Pferd waren verschwunden. Um nichts war er nicht hieher geritten, er klopfte ans Tor. Caleb öffnete. "Seid ihr nicht tot? Träume ich?" "Kümmert euch nicht um mich, habt acht auf euch, seid auf der Hut, nehmt nur die Quittung an!" Dann führte Caleb den Geigerhans in die Wohnstube. Dort ging's hoch her, wie zu Ritters Zeiten. Da tafelten der alte Schauensteiner, der filzige Brügger, dann Baldiron, neben ihm der wilde Robustelli, weiter unten Hans Peter Guler, eben stiess mit ihm Georg Jenatsch an und weitere. Sogar unter den Dienern erschienen bekannte Gesichter, längst oder kürzlich Verstorbene. Mitten drin im Getümmel gebot plötzlich der alte Molina mit Donnerstimme den Geigerhans zu sich, alle waren da, nur Tristram fehlte, der komme erst, wenn der Tag anbreche. "Hast du mit meinem Sohn abgerechnet?" Mit Mühe gab er die Worte hervor, der Junker wolle sich ohne die Quittung nicht zufrieden geben. "Also spiele ,Zwischen Chur und Maienfeld', aber schön, dann bekommst du den Schein", sagte der Oberst und schickte Caleb nach der Geige. Der brachte diese, aber der Geigenhals war von glühendem Stahl. Geigenhans sagte, er sei nicht zum Spielen oder Trinken und Essen da, sondern wegen der Quittung. Da fletschte der Oberst die Zähne und rief wie ein Tobsüchtiger: "Da ist die Quittung und dein Geld, das liegt im Katzenwinkel!" Der Moser bedankte sich und wünschte seiner Seele in Gottes Namen Ruhe und Frieden. Beim Wort "Gottes" wurde es finster und er spürte wie einen Schlag, er stürzte und verlor das Bewusstsein. Als er nach einiger Zeit wieder zu sich kam, lag er auf dem Friedhof von Maienfeld, dicht neben dem Grabmal des Molina, sein Pferd weidete bei den zwei Kühen des Pfarrers, in seinen Händen hielt er die Quittung, vom Ritter unterschrieben! Im Morgennebel suchte er sofort den Junker auf Salenegg auf. Als der von der Quittung hörte, sprach er von Schwindel, von Hölle, und er klage ihn vor dem Gericht an. Moser erzählte ihm die Geschichte. Dann sagte der Junker: "Wenn das wahr ist, dann finden wir das Geld im Katzenwinkel!" Wo aber ist der Katzenwinkel? Der Marugg weiss das. Der wusste es, dieser Winkel sei im obersten Teil des Turmgebäudes, nur eine Leiter führe in den Turm-Estrich hinauf. Dorthin ging's nun, der Junker eilte mit einer Pistole nach dem Turm, stieg hinauf, betrat den Verschlag. Da fuhr ihm ein wütendes Fauchen entgegen, wollte ihn hinunterstossen, die Pistole ging los. Marugg und Geigenhans vernahmen unten ein gellendes Gewinsel. Nach einer Minute warf der Junker den Körper des erschossenen Tristrams und den Beutel Geld unversehrt hinunter. Der Affe also hatte ihn verschleppt. Junker Hector stellte die Unschuld des Geigerhans fest, versprach ihm, ein guter Herr zu sein, erliess ihm auch einen Teil des jährlichen Zinses, gab ihm auch eine neue Quittung, warf die frühere Quittung ins Kaminfeuer, welche unter Zischen wie eine Rakete entschwand. Moser Johannes nahm ein ganzes Jahr seine Geige nicht mehr in die Hand, schüttete auch Wein nicht mehr in Menge durch seine Gurgel.
Vom Ritter Molina wurde in Maienfeld noch viel gesprochen. Er pflegte zu sagen, dass er kein rechter Edelmann gewesen sei. Sein Geist sei noch lange in der äussern Turmwand im nördlichen Treppenhaus gebannt und eingemauert gewesen. Jetzt ist die Stelle verwittert, aber ein Fleck an der Stirnseite des Treppenhauses sei immer noch zu sehen.

Quelle: Arnold Büchli, Sagen aus Graubünden,1. Teil, 2. veränderte Auflage, Sauerländer Aarau, um 1930; Seiten 292-305.

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