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Von Prestenegg zu Salenegg

Baugeschichtliches




Im Buch «Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Graubünden Band II» von Erwin Poeschel wird Schloss Salenegg als eines der reizvollsten Herrenhäuser der Schweiz bezeichnet. Bis es aber soweit war, haben viele Bauherren ihre Ideen eingebracht. Es bleibt zu hoffen, dass die Denkmalpflege auch weiterhin nachsichtig urteilt, wenn es darum geht, dass auf Salenegg umgebaut werden muss, damit nachfolgende Generationen auch weiterhin den immer wechselnden Anforderungen und Bedingungen gerecht werden können.

Schloss Salenegg, das sich in aussichtsreicher, vom Städtchen Maienfeld etwas abgesetzter Lage sonnt und sich mit seiner langgezogenen, durch den malerischen Turm belebten Silhouette glücklich in die grosszügig modellierten Formen des Rebgeländes einfügt, hat seinen Gang durch die Geschichte unter einem andern Namen angetreten.

Um 1330 war es als Prestenegg im Besitz der Grafen von Werdenberg-Sargans. Der alte Name Prestenegg wird nach der Überlieferung mit dem Kloster Pfäfers in Verbindung gebracht, das hier, in der sonnigen Lage der Herrschaft, für seine erholungsbedürftigen und von Gebrechen (Presten) geplagten Mönche einen Sitz errichtete.

Eine bis zur Aufhebung des Stiftes 1838 formell existierende Dienstbarkeit, die den Herrn zu Salenegg verpflichtete, die Mönche von Pfäfers an einem bestimmten Tag im Jahr zehrfrei zu halten, weist wie auch andere Indizien auf eine Verbindung zwischen Salenegg und dem Pirminskloster hin.

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war Prestenegg im Besitz der Familie Beeli von Belfort und kam 1594 nach einer Reihe von Handänderungen durch Kauf an Vespasian von Salis. Dieser hat Prestenegg 1604, wie der Chronist Anhorn zu berichten weiss, «underbuwen, gewelbte Käller, schöne sal, stuben und kameren lassen machen, ouch erweytteret, so witt der torckel gadt, mit ziegel lassen bedecken». Damit wurde, wie der gleiche Chronist meldet, «Pressaneckh das schöne wohlerbauene Lusthauss des Herrn Vespasian von Salis». Salis hat also praktisch einen Neubau ausgeführt, von dem noch ansehnliche Teile im heutigen Schloss Salenegg, wie der neue Besitzer sein Schloss in Anlehnung an den Familiennamen nun nannte, erhalten sind.

Seine Tochter Violanda brachte den Sitz durch Heirat an Ritter Anton von Molina, der als ehemaliger Dolmetsch des französischen Gesandten Pascal während der Bündner Wirren zur österreichischen Partei wechselte und 1637 einer der eifrigsten Verschwörer gegen Herzog Rohan wurde. In Salenegg gestaltete er den Gartensaal im Erdgeschoss, dessen originelle Decke ein Gemälde mit den Wappen von vierzig regimentsfähigen Bündner Geschlechtern und den Drei Bünden aufweist.

Ritter Molina, dessen Tod um die Mitte des 17. Jahrhunderts die Sage mit mysteriösen Berichte umrankt hat, hinterliess keine männlichen Erben, und seine drei Töchter verkauften Salenegg 1654 für 14000 Gulden und sechs Fuder Wein an Hans Luzi Gugelberg von Moos, Landeshauptmann im Veltlin und Stadtvogt zu Maienfeld. Er gab der grossen Stube das gediegene Täfer und beschaffte aus Flums den aus einer mächtigen Eiche gefertigten Torkelbaum, für dessen Transport damals fünfzig Ochsen nötig waren.

Hans Luzis Sohn, Ulysses, liess um 1713 den Anbau erstellen, der heute das Treppenhaus birgt, damals aber ein Weingewölbe, eine neue Küche und einen Saal enthielt. Seine Söhne, Heinrich, Lorenz und Ulysses, bauten 1756 den Turm auf. Der grösste Bauherr von Salenegg aber wurde Ulysses, Kommissar zu Cläven und Bundesoberst (1756-1820). Souverän und grosszügig disponierend, formte er in einem umfassenden Umbau zwischen 1782 und 1784 die aus verschiedenen Bauetappen stammenden Teile zu einer einheitlichen Anlage, die ihre Form, abgesehen von einem kleinen Umbau am Turm um 1820, bis heute gewahrt hat. Commissarius Ulysses aber war bei diesem ganzen Umbau nicht etwa nur Auftraggeber, nein, ein Zeitgenosse bestätigt, «dass weder deutsche noch italienische Architekten, sondern das erfinderische Genie des Eigentümers den Plan zu diesem Gebäude entworfen hat.»

Die Familie konnte aber das neue Schloss nicht lange ungestört geniessen, denn wenige Jahre nachdem sie den Sitz wieder bezogen hatte, brach in Frankreich die Revolution aus, die ihre Schatten bald bis nach Bünden werfen sollte. Als heftiger Gegner der «Patriotenpartei», welche die Vormachtstellung der Salis bekämpfte und bei der französischen Republik Rückhalt fand, stellte sich der Schlossherr von Salenegg wie die mit ihm verwandten Salis-Marschlins auf die Seite Österreichs. Das Hauptquartier der kaiserlichen Truppen für Bünden war in Salenegg untergebracht, und General Hotze berief Ulysses Gugelberg von Moos in die für Bünden eingesetzte Interimalregierung. Nach erneutem Einmarsch der Franzosen flüchtete Herr Ulysses ins Tirol, und sein Schloss war trotz eines strengen Befehls, den der französische General Massena persönlich zum Schutze von Salenegg erlassen hatte, den Plünderungen der französischen Soldateska ausgeliefert. Sogar Suworow soll, so will es die Tradition, nach seinem gefahrvollen Marsch über den Panixerpass im Herbst 1799 in Salenegg abgestiegen sein.

Auch eine knappe Übersicht über die Geschichte von Salenegg darf einen Mann nicht vergessen: Ulysses Rudolf von Gugelberg (1809-1875), den Freund Hans Konrad Eschers von der Linth. Er war als Ingenieur nicht nur massgeblich an der Linth- und an der Juragewässerkorrektion beteiligt, sondern auch ein Pionier im schweizerischen Eisenbahnbau und ein im In- und Ausland gesuchter Spezialist für Fragen des Brückenbaues, der als Experte in verschiedensten Baufragen internationales Ansehen genoss.

Seine Nachfahren wohnen noch heute, dreihundertzwanzig Jahre nachdem der erste Gugelberg von Moos sich hier niedergelassen hat, in Salenegg und betreuenden Sitz samt seinem von Generationen gesammelten, vielfältigen Inventar, das allein ein kleines Museum zu füllen vermöchte, so aufmerksam, dass man selbst im hintersten Winkel des Schlosses die ordnende Hand seiner Bewohner zu spüren vermeint.

Wer heute Salenegg, von dem hier nur die allerwichtigsten Räume genannt werden können, betritt, ist überwältigt von der heiteren Eleganz, die ihn im Treppenhaus empfängt, wo das Licht in Fülle durch die grossen Fenster strömt und im luftigen Rokokostuck von Wänden und Kuppel spielt.

Die gleiche Stimmung erwartet den Besucher im festlichen Blumensaal, dessen Decke von graziösen Rocaillen umrahmte Stuckprospekte von Maienfeld sowie von Burgen und Dörfern der Umgebung zeigt und so mit den die Wände belebenden roten Marmorplatten bestens harmoniert.

Als bedeutsamster Raum aber darf die durch einen hervorragenden Pfau-Ofen von 1638 bereicherte grosse Stube gelten, deren Täfer und reiche Kassettendecke der erste von Gugelberg zu Salenegg nach der Mitte des 17. Jahrhunderts herstellen liess, und wo von den Porträts an den Wänden all jene Hausherren auf den Gast blicken, die im Laufe der Jahrhunderte aus Salenegg «eines der reizvollsten Herrenhäuser Graubündens» gemacht haben.

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